Aufreger

Aufreger: Krokodilstränen

KrokodilstränenDie Besitzerin eines Hundes erkundigte sich nach den Möglichkeiten zur Abgabe ihres Tieres.
Sie konnte ihn nicht auslasten. Dadurch drehte er immer mehr hoch. Wenn er rauskam aus der Wohnung, war er nicht mehr zu halten. Es ging soweit, dass sie sich mit ihm kaum noch auf die Straße traute. Der Hund wurde dadurch natürlich nicht ausgeglichener. Der Kreislauf schloss sich in unguter Weise.

Wir erklärten sofort unsere Bereitschaft, ihn aufzunehmen.
Aber sie hatte ihn so gern und wollte ihn dann doch lieber behalten.


Am nächsten Tag wollte sie ihn dann doch bringen.
Nein, sie hatte es sich doch wieder anders überlegt.
Wieder ein paar Tage später: Es ginge doch nicht, sie kann die Wohnung nicht mehr mit ihm verlassen und möchte ihn abgeben.
Es ging mehrmals hin und her.

Wenn wir uns richtig erinnern, gab es auch ein kleines Kind. In jedem Falle war die junge Frau völlig überfordert. Dem Hund wurde sie in keiner Weise gerecht.

Irgendwann erschien sie tatsächlich und brachte den Hund. Wir schlossen schriftlich einen Übernahmevertrag und kamen ihr mit kleinen monatlichen Raten entgegen.
Der Hund brauchte dringend einen geregelten Tagesablauf und vor allem viel, viel Bewegung.

Die junge Frau rief an: sie wollte den Hund wiederhaben. Wir lehnten ab.
Es ist durchaus schon vorgekommen, dass wir ein Tier wieder an seinen ursprünglichen Besitzer zurückgegeben haben. Dann müssen wir aber davon überzeugt sein, dass der Halter in der Lage ist, das Tier ordnungsgemäß zu versorgen und andere Gründe bei der Abgabe eine Rolle gespielt hatten.
Aber in diesem Fall wäre es zum Schaden des Hundes gewesen und dann bleiben wir unnachgiebig.

Am nächsten Tag erschien die junge Frau gemeinsam mit einem Freund im Tierheim. Sie verlangten die sofortige Herausgabe des Hundes. Wir lehnten wiederum ab. Sie bettelten und flehten. Sie drohten. Sie sagten, sie werden das Gelände nicht ohne den Hund verlassen. Dagegen könnten wir nichts tun, meinten sie.
Eine Tierheimmitarbeiterin rief beim Vorstand ab, denn die Situation drohte zu eskalieren. Wir verabredeten, sie solle die beiden informieren, dass wir die Polizei rufen und Anzeige wegen Hausfriedensbruches erstatten, wenn sie das Gelände nicht verlassen. Als der junge Mann sah, dass die Mitarbeiterin telefonierte, stürzte er sich auf sie und schlug ihr in den Arm, so dass das Telefon wegflog. Einen anderen Mitarbeiter, der gerade mit einer Schubkarre vorbeilief, stieß er zur Seite. Beide flüchteten zum Ausgang, sprangen in ihr Auto und rasten davon.
Wir ahnten, dass dies nicht ihr letzter Auftritt sein würde.

Einige Stunden später riefen sie an. Sie wollten sich entschuldigen für ihr Verhalten. Und den Hund abholen. Sie seien auf der Polizei gewesen und dort hätte ihnen ein Polizist gesagt, dass sie ein Widerrufsrecht hätten und innerhalb von 14 Tagen den Hund wiederbekommen müssen. Wir sagten den jungen Leuten, dass das Quatsch ist, sie den Hund nicht wiederbekommen (Anmerkung: nach so einem Auftritt schon gar nicht) und sie die vereinbarten Zahlungen zu leisten hätten.

Wir machten den Polizisten ausfindig. Ja, die jungen Leute waren bei ihm gewesen. Sie seien sehr höflich und nett gewesen und hätten bitterlich geweint, weil sie im Tierheim so schlecht behandelt worden seien. Außerdem hätten sie ein Widerrufsrecht und müssen den Hund also zurückbekommen.

Wir schilderten dem Beamten den tatsächlichen Verlauf. Und wir fragten ihn, wie er auf das Widerrufsrecht käme. "Wenn ich mir im Versandhaus was bestelle, habe ich immer 14 Tage Zeit, es zurückzuschicken", lautete die Antwort.
Das stimmt. Aber wir sind kein Versandhaus. Und wir machen auch keine Haustürgeschäfte.
Für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und bei Fernabsatzverträgen hat der Gesetzgeber Ausnahmeregelungen geschaffen, um Verbraucher zu schützen. Das hat mit normalen Verträgen wie unseren aber überhaupt nichts zu tun, erklärten wir.
Der Polizist zog sich zurück.

Die jungen Leute begriffen, dass es den Hund nicht zurückgibt. Aber natürlich waren sie zahlungsunwillig.
Unser Anwalt musste ran. Er schickte ein entsprechendes Schreiben. Der Vater der jungen Frau erfuhr davon und rief bei unserem Anwalt an. Auch er hatte die Geschichte ganz anders gehört, verstand aber dann sofort die Rechtslage und erklärte seiner seit längerem erwachsenen Tochter, welche Pflichten es im Leben gibt.

Ein paar Wochen später erschien die junge Frau im Tierheim. Sie war der Meinung, dem Hund ginge es bei uns schlecht. Doch sein Fell glänzte. Er hatte Muskeln aufgebaut. Und er war vor allem entspannt. Von der jungen Frau vor ihm nahm er keine Notiz. Sie registrierte erstaunt, dass er nur Augen für seine Tierpfleger hatte.

Dann herrschte endlich Ruhe und auch die Raten trafen ein.

Bevor jetzt Sprüche über die Polizei kommen: Mit Sicherheit sitzen auch in Polizeibüros Menschen, die Fehler machen. Genauso wie bei uns im Tierheim. Wir wagen zu behaupten: Auch jeder Leser dieses Beitrages hat schon welche gemacht.

Wir haben oft Probleme wegen Fundtieren, Einbrüchen im Tierheim und Betrügereien gegen uns usw. Fast immer sind wir auf Beamte getroffen, die sofort bereit waren, uns zu helfen, auch wenn es "nur" um Tiere ging.

Deshalb wünschen wir uns hier keine platten Tiraden.

Uns geht es in unseren Berichten nicht darum, andere vorzuführen, sondern uns mit unserer Arbeit auseinanderzusetzen und Hintergründe zu beleuchten, um letztendlich ein wenig mehr Verständnis für manche Zusammenhänge und Entscheidungen zu erzeugen.

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